Sofa Surfers (Ö)  - Kino Ebensee
  • CINEROCK LIVE
Fr, 27.11.15 20:30 Uhr

Sofa Surfers (Ö)

Scrambles, Anthems and Odysseys, das neue Album von den Sofa Surfers, führt an einen Ort, der irgendwo in der zukünftigen Vergangenheit liegt. Ein Ort, zu dem sie schon lange reisen, ihm aber erst jetzt so nah wie kaum zuvor sind. Wir freuen uns, dass sie das neue Album auch bei uns im Kino präsentieren werden!

Musik für Zeiten des Umbruchs

Nahezu lautlos nähert sich die Gondel den Wartenden. Es dürfte sich um keine freudige Ankunft zu handeln – eher scheinen die Ankömmlinge bereits dringend erwartet werden. Sind tatsächlich sie es, die diese dringend notwendige Operation ausführen können?

„When the mists do descend

I‘ll be there to defend your honour

And I‘ll help your to mend those bridges

And hold your towers“

Scrambles, Anthems and Odysseys, das neue Album von den Sofa Surfers, führt an einen Ort, der irgendwo in der zukünftigen Vergangenheit liegt. Ein Ort, zu dem sie schon lange reisen, ihm aber erst jetzt so nah wie kaum zuvor sind. Im Opener Grass Under Your Feet stellen sie gleich mal herkömmliche Albumroutinen auf den Kopf: Die retrofuturistische Ballade atmet Abschied und Ankunft gleichermaßen.

Mit Beyonder Girl nimmt die Mission rapide an Fahrt auf: Dunkler R’n’B kommender Dekaden kontrastiert mit Beats, die an die Frühzeit von Rap und Breakdance erinnern – und nicht still sitzen lassen. Musik als Antrieb, um Umwälzungen vorzunehmen. Und erneut bringt die Stimme Mani Obeyas Klarheit. In Bread & Circuses feat. Soulcat E-Phife verschärft sich die Gangart hingegen deutlich: Die Wiener Rapperin lässt ihre Worte und Phrasen Wurfsternen gleich durch die dichte Atmosphäre wirbeln; Trap Beats und wahnwitzige Arpeggios signalisieren den Einzug der ungeliebten Gladiatoren. Lebend kommt aus diesem Song ohnehin keiner mehr raus.

Die Crew auf der Gondel wirkt entschlossen. Sie wissen: Mit der Kraft ihres Verstandes allein wird die Operation gewiss nicht zu bewältigen sein. Sie müssen sich auf ihre Instinkte verlassen, die bleiernen Klammern um ihre Herzen lösen und mehr denn je ihre Emotionen in die Schlacht werfen. Nur so werden sie eine Chance haben. Vielleicht.

„Check out my evil corpuscles

My evil eye and my muscles

Six-pack the envy of Adonis

MC hammer and sickle can‘t touch this“

... singt Mani Obeya in Most Dangerous Man Alive. Und dieser Song ist mindestens genauso gefährlich wie die Person, um die es geht. Treibend und dennoch soundtrackartig, unterschwellig und unerkannt böse. Bis zum mentalen Zerfall. Jetzt heißt es aufpassen, damit die Operation durch solche Schurken nicht in Gefahr gerät. Denn dann könnte es durchaus passieren, dass es zu einer derben Rauferei kommt: In Scramble kollidieren Welten – oder sind es doch die gegensätzlichen Protagonisten der Vision von Scrambles, Anthems and Odysseys? Dicke, trappige Grooves und erneut ist es Mani, der die Geschichte zum Leben erweckt. Und wieder schwellen subtile SciFi-Synths und Drohnen, die das Mindsetting definieren.

Jetzt nur nicht paranoid werden. Denn wer paranoid wird, macht Fehler; wird zum Ziel und ist ständig Beute. Aber ach, zu spät: Paranoid Triggerfinger ist der Soundtrack zur Flucht ohne Ankunft. Hör nicht auf das, was sie sagen. Es würde deine Gedanken vergiften. Aber keine Angst, es wird alles gut. Das Antiserum wird in der sprichwörtlich letzten Sekunde geliefert: Woody’s Ballad feat. Issi Honi heißt es, das Duett von Mani Obeya und seiner Tochter Issi. Es heilt alle Wunden, so munkelt man.

„This life will pass you by at high speed

Go zooming by

But you‘ll be laughing as you‘re lowered

Cos you lived so high“

Mongrel ist ein selbstbewusstes Statement; es ist der Moment, an dem sich das Blatt wenden kann – die zwingende Triplet-Groove, die allgegenwärtigen 90ies-Synths und Manis herausfordernder Gesang vermögen die Gegner zu hypnotisieren. Ein Energiestrahl zum perfekten Zeitpunkt. Und dann die unerwartete Verwandlung: Raven-Us hebt elegant ab, ohne seine düsteren Referenzen abzulegen; magisch leuchtend und prickelnd schwebt der Vogel in der Luft auf der Suche nach Beute.

Die Lage spitzt sich zu. Jetzt gilt es, die Operation durchzuziehen und die Angreifer abzuschütteln – ohne in Panik zu geraten. Mit offenen Herzen und ebensolchen Armen stellt sich die Crew dem Mahlstrom und kontert mit puren Emotionsblitzen den aus allen Richtungen erfolgenden Attacken. Es sieht gut aus; besser als erwartet.

Zum zweiten Mal wird die Geheimwaffe eingesetzt: Skins feat. Soulcat E-Phife ist ein Hi-Energy-Kracher, der mit seiner dubbigen Grundatmosphäre und dem Wechselspiel von Soulcat und Mani ganze Wände niederreißen kann. Haben wir eigentlich schon erwähnt, dass das ganze Album eine erstaunliche Anzahl unterschiedlicher Clap-Sounds auf Lager hat?

Und weil wir gerade von Wände niederreißen sprechen: The Fixer (Refixed) war die erste Single zu Scrambles, Anthems and Odysseys und wirkt in der neuen Version noch eleganter als die Urversion. Der Fixer wird jedenfalls zum richtigen Zeitpunkt den Ausgang entscheiden können.

„These days seem polluted

Our lives convoluted

Our futures are looted

And we‘re all muted“

All ist der letzte Song des Albums; eine mitreißende und dennoch melancholische Bestandsaufnahme über das, was nach der erdumspannenden Operation übriggeblieben ist. Die Wunden verheilen langsam, und das kurze Glück des Triumphs weicht der Erkenntnis, dass der Kampf um Veränderung, der große Umsturz also, gerade erst begonnen hat.

Zeigt uns das Covergemälde des brasilianischen Graphic Artists Bruno Biazotto eine fiktive Welt? Schwer zu sagen, denn das Bild ist synchron mit den Arbeiten am Album entstanden – im ständigen Austausch beider Parteien. Ebenso fließt also auch das Bild in die Musik ein: Das Spürbarmachen einer gemeinsamen Vision. Und die wirkt zum Greifen nah.

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