- Festival der Regionen
AT 2012, 11min
Katharina Gruzei
La Sortie des Ouvriers de l´Usine
AT 1998, 6min
Siegfried A. Fruhauf
Die ArbeiterInnen verlassen die Fabrik / La Sortie des Ouvriers de l´Usine
Katharina Gruzei vereint eine gesellschaftspolitische Fragestellung mit einem präzisen formalen Konzept, was selten im experimentellen Film zu finden ist. Ausgehend vom ersten Film der Brüder Lumière La sortie de l’usine Lumière à Lyon, der eine große Zahl von Arbeiterinnen und Arbeiter beim Heraustreten aus dem Fabrikstor dokumentiert, beginnt Gruzei bereits im Inneren, in einem aufgrund des Schnitts elendslang wirkenden Gang, der sich aus der Dunkelheit herausschält. Die Architektur des Korridors – eine Fertigungszeile der geschlossenen Austria Tabak Werke – blitzt jeweils nur in Teilstücken im surrenden Neonlicht auf. Die eindrückliche Lichtchoreographie und der Sound stammen von einer Installation der Künstlerin in den leeren Räumen. Langsam kommen die Rücken der ersten ArbeiterInnen mit Mantel und Handtaschen gekleidet ins Bild, die Kamera begleitet sie beim Verlassen der Arbeitsstätte. Es werden immer mehr, die den dunklen flackernden Gang entlanggehen. Spätestens in diesen Szenen wird die Unheimlichkeit des Raumes und die Bedrohlichkeit einer Masse, die sich zum Widerstand formieren könnte, spürbar. (Brigitta Burger-Utzer, Sixpack Film)
Gut 100 Jahre später fabriziert Siegfried A. Fruhauf eine vierte Version von La Sortie des Ouvriers de l´Usine. Dieses Remake räumt mit der unfreiwilligen Ironie des Lumière-Films gründlich auf. Sechs Minuten braucht Fruhauf, um das aktuelle Schicksal der Industrie zu Film gerinnen zu lassen. Vierzehn Arbeiter und Arbeiterinnen sind es hier - fünf auf der (optischen) Längsachse, der Rest quert im Hintergrund - , deren Bewegungen die Form des Kreuzes nachzeichnen: das Todessymbol als Ballet mécanique. Das Ausgangsbild wird in nahezu abstrakte, schwarz-weiße Flächen transformiert, sysiphusgleich eingespannt in einen irrwitzigen Tanz der Wiederholungen. Sukzessive beschleunigt Fruhauf die Bewegung der Schreitenden, bis hin zum Rasen: Die Kapazität des Filmstreifens wird bis an seine physikalische Grenze ausgelotet: "Bis es nicht mehr geht." Maximale Akzeleration bringt Stillstand: Nach der Beschleunigung des gesamten Bewegungsablaufs auf zwei Kader folgt konsequent der letzte Kader - das Freeze Frame. Nichts geht mehr. Das Modell des (wörtlich genommenen) Fort-Schritts kollabiert. An seiner Statt: Paralyse; Dead End. Die Arbeiter stehen still. Mit ihnen die Fabrik. Rien ne va plus. (Peter Tscherkassky)
Die Filme der Reihe Arbeiterbewegungen am Ende des Sozialismus & Arbeit Unser werden im Foyer des Kinos gezeigt, das wie ein Wohnzimmer mit Fernsehgerät eingerichtet ist.