Hannas schlafende Hunde (Ö/D 2016)  - Kino Ebensee
  • Deutschsprachige Fassung
Fr, 08.04.16 20:00 Uhr
Sa, 09.04.16 20:00 Uhr
So, 10.04.16 20:00 Uhr
Di, 12.04.16 20:00 Uhr
Österreich/Deutschland 2016
Regie: Andreas Gruber
Kamera: Martin Gressmann
DarstellerInnen: Hannelore Elsner, Franziska Weisz, Michaela Rosen, Johannes Silberschneider, Lena Reichmuth, Nike Seitz
Länge: 124 min.

Hannas schlafende Hunde (Ö/D 2016)

Wels 1967. Der Krieg ist offiziell vorbei, aber in den Köpfen vieler tobt er noch immer.

Die Zeichen sind da. Man muss sie nur sehen (wollen). Der Hausmeister vergast mit einem an den Auspuff des Puch-Mopeds angeschlossenen Schlauch die Maulwürfe. Die Güterzüge rattern bedrohlich vorbei, auch an dem Gleis mit dem toten Ende, wo die Eisenbahner-Schrebergärten sind. Der Kriminalbeamte mit dem Gummimantel und dem schwarzen Hut sieht wie ein Gestapo-Mann aus. Die Großmutter trägt die gelbe Blinden-Armbinde, früher war es ein anderes Zeichen auf gelbem Grund, das sie aus der Gesellschaft aussortiert hat.
Unter dem Asphalt liegt die Vergangenheit in den 1960er Jahren nicht sehr tief vergraben: Der Bagger bringt beim Leitungsverlegen nicht nur alte Schuhe ans Licht, sondern stößt auch auf eine Fliegerbombe. Die umliegenden Siedlungshäuser müssen evakuiert werden. In der Schule wird schwarze Religionspädagogik betrieben. Viele haben alte Rechnungen offen, die sie totschweigen aus verschiedenen Motiven. Kleinstadt-Realität in den 1960er Jahren, und noch immer ist »Kein schöner Land in dieser Zeit« ein Ohrwurm für die Kameradschaftsbündler, die sich dabei etwas ganz anderes vorstellen als die kleine Hanna, die das Lied bei einer Feierstunde auf Geheiß der Religionslehrerin singen muss.
Andreas Gruber hat in Elisabeth Eschers Roman »Hannas schlafende Hunde« genau jenen Stoff gefunden, der ihm die Möglichkeit bot, seinem immens wichtigen Film Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen (1994) über die sogenannte Mühlviertler Hasenjagd von 1945 eine zeitgeschichtliche Fortschreibung folgen zu lassen.
Atmosphärisch stimmig bis in kleinste Details rekonstruiert Gruber das Kleinstadt-Biotop, in dem das Mädchen Johanna (Nike Seitz) sich von der katholischen Bigotterie des Vaters (Rainer Egger), der Schroffheit ihrer in Sprachlosigkeit versteinerten Mutter (Franziska Weisz) und der für sie rätselhaften Feindseligkeit oder betont schleimigen Freundlichkeit der Nachbarschaft freikämpft. Einzig in der Großmutter (Hannelore Elsner) findet Hanna eine Verbündete, die darauf drängt, die schlafenden Hunde doch endlich zu wecken. Heißt, die Verletzungen und Verbrechen der Vergangenheit nicht länger schweigend zu dulden.
Zentral stehen die Frauen dreier Generationen in einer Welt der bedingungslosen Wahrung des äußerlich ruhigen bürgerlichen Scheins: Großmutter Ruth wird von Hannelore Elsner mit jener inneren Stärke ausgestattet, mit der sie zwar nicht ihrer Tochter Katharina, aber ihrer Enkelin aus der Opferrolle heraushelfen kann. Die junge Nike Seitz bringt in die Rolle des Mädchens Johanna alle Facetten zwischen Angst, Verletzlichkeit und jugendlicher Zuversicht ein, die der Entwicklung der Figur größtmögliche Glaubwürdigkeit und Intensität geben. Franziska Weisz steht dazwischen als Johannas schwer traumatisierte Mutter, die erst durch die schwere Krise des Kindes ihre eigene auflösen kann. Die Männer zimmern den Rahmen, aus dem auszubrechen so schwer ist: der undurchschaubare ehemalige Bankdirektor (Christian Wolff) in seiner aufdringlichen, anbiedernden Höflichkeit, der brutal-verschlagene Hausmeister (Christian Hoening), der duckmauserische Vater (Rainer Egger), der salbadernde Pfarrer (Johannes Silberschneider). Dazu ein äußerer Ring von Frauen, auch sie Opfer (wie die von häuslicher Gewalt betroffene Tante), hilflose Zuschauerin (Elfriede Irrall als Nachbarin) oder zwischen Opfer und Täterin changierend wie die Religionslehrerin (Michaela Rosen).

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